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Alina Knoflach/ Vereinsvorstand

Ein wesentliches Charakteristikum Europas pluralistischer Gesellschaften stellt die Diversität von Kulturen, Sprachen, Traditionen, Religionen und Identitäten dar. Andauernde gesellschaftliche Transformationsprozesse werden dadurch bedingt und fordern die religiöskulturellen Ordnungs- und Wertesysteme ständig neu heraus. Konflikte spiegeln sich vor allem in der Umgestaltung und gleichzeitigen Wahrung überlieferter traditioneller Werte wider. Demographisch kulturelle Umbrüche und das gleichzeitige Verlangen nach einer diesbezüglichen Stabilität, Ressourcen- und Machtverhältnisse sowie die damit einhergehenden politischen Grenzen, Barrieren und Isolierungen stellen die Triebkräfte gegenwärtiger gesellschaftlicher Transformationen dar. Dies erschwert die Gestaltung und den Schutz eines respektvollen Raumes für einen Pluralismus, indem die Rechte aller in der modernen Gesellschaft lebenden Individuen einer globalisierten Welt vorurteilsfrei gewahrt werden können. In diesem Zusammenhang sei auf die fluchtbedingte Migration verwiesen. Transformationsprozesse solcher Art sind keine Neuheit. Wirft man einen Blick auf die Geschichte, wird deutlich, dass Transformationen, Veränderungen und Diversitäten sogar charakteristisch für Gesellschaften sind. Das menschliche Zusammenleben, unabhängig von Raum und Zeit, ist von ununterbrochenen Wandlungsprozessen geprägt. Damit einhergehende Wechselwirkungen werden von jedem einzelnen Individuum beeinflusst, dessen Entwicklung rückwirkend wieder vom allgemein sozialgesellschaftlichen Kontext geformt wird. Selbst wenn sich Individuen oder Gesellschaften strikt an konservativen Ordnungssystemen festklammern, können Transformationen nicht aufgehalten werden. Damit werden nur Abkapselungen bedingt, die die Tatsache der natürlichen Wandlungsprozesse von Menschen verwehren und dadurch Angst sowie in späterer Folge Rassismus und Radikalisierung bedingen. Transformationen bleiben so lange bestehen, solange Gesellschaften existieren. Daher gilt es diese anzunehmen. Das Wahrnehmen und Annehmen wandelnder menschlicher Konstrukte im Sinne von Erweiterung bedeutet keinesfalls das Aufgeben traditioneller Wertsysteme. Im Gegenteil, in den primären identitätsbildenden Strukturen liegt das Potential für eine offene und positive Auseinandersetzung ungewohnter Einwirkungen. Im Umgang mit den anfangs erläuterten Herausforderungen gilt es, Perspektiven einzunehmen, die die Adaption von andersartigen Wahrheitskonstrukten zulassen, ohne dass dabei Zugehörigkeiten zu den eigenen Praktiken, Traditionen oder Gruppen aufgegeben werden müssen. Das Erkennen und Anerkennen von Alternativen führt zu einem erweiterten Horizont von Sinnwelten und fördert die Stärkung von Identitäten. In anderen Worten stellt Resilienz einen Religionen und Identitäten in Europa Knoflach Alina Marietta, B.Ed.Univ. MEd 2 lösungsorientierten Ansatz und damit einen vorbildhaften Aspekt pluralistischer Gesellschaften dar. Die Aktualität, das Bedürfnis und die verstärkten Auseinandersetzungen mit Phänomenen der Resilienz stehen im Zusammenhang mit einer Wahrnehmung von Veränderung, Unsicherheit, Krisen und Risiken. Resilienz wird dabei mit „Widerstandsfähigkeit“ gleichgesetzt. Diese mittlerweile weit verbreitete Begriffsdefinition steht im Widerspruch des hier angeführten Bedeutungskontextes. Vor allem wendet sich die Darlegung an dieser Stelle von Definitionen über Schutzmaßnahmen und Grenzsetzungen als politische Legitimation, die einem gesellschaftlichen Wandel entgegenstehen ab. Vielmehr orientiert sich der hier verwendete Bedeutungskontext von Resilienz an Konzepten der individuellen sozialen und gesellschaftlichen, gegenwärtigen sowie zukünftigen lebensbewältigungs- und gestaltungs- Möglichkeiten innerhalb von Transformationen, basierend auf primären Identitätsbildenden Strukturen. Im Hinblick auf Resilienz fördernde Maßnahmen stellen Spiritualität und Religiosität keine unbedeutende Rolle dar. Interreligiöse sowie spiritueller Begegnungen haben positiven Einfluss auf die individuelle und kollektive Resilienz, indem emotionale und soziale Verbundenheit erworben und gestärkt werden kann. Im Spannungsfeld zwischen neuen und bisher bekannten Formen von Konformitäten, geht es nicht um Autoritäten, überlieferte Traditionen, oder disziplinarische Wert- und Normsysteme, an denen das allgemein gesellschaftlich gültige Denken, Handeln und Fühlen ausgerichtet werden sollte. Vielmehr geht es um die Wahrnehmung von Machtverhältnissen, welche Ausgrenzung und Angst fördern und um die Erkenntnis, dass diese von Menschen konstruiert und nicht ontologischer Natur sind. Resilienz im pluralistischen Europa zeichnet sich durch die Annahme und entwicklungsfördernde Handlungsfähigkeit von aktuellen lebensverändernden Umständen aus.

Anna Alabd

Vereinsvorstand

Religiöser Pluralismus und Identität – Herausforderungen und Chancen in der Praxis

Politisch und medial ist vermehrt wahrzunehmen, dass sich in Europa viele Menschen an ethnischen, kulturellen oder religiösen Identitäten und den daraus resultierenden Abgrenzungen orientieren. Die Sorge um die eigene Identität ist in der schnelllebigen, globalisierten Welt von heute durchaus eine berechtigte. Ständige technische und wirtschaftliche Entwicklungen verlangen konstante Veränderung und hinterlassen Sehnsucht nach Stabilität. Dabei setzt populistische Politik in Österreich auf Spaltung, vertieft künstlich erschaffene kulturelle „Probleme“ und polarisiert diese in innenpolitische Debatten und Wahlkämpfen. Denn ist die Rede von Menschen unterschiedlicher Religionen, so wird über Menschen oder Religionen gesprochen, ohne sie selbst zu Wort kommen zu lassen. Begrifflichkeiten werden vermischt, kulturelle Identitäten inszeniert und soziale Begebenheiten von marginalisierten Gruppen oft außer Acht gelassen. Gerade aus diesem Grund ist es wichtig genauer hinzuschauen, und nicht pauschale Urteile zu generieren. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob in religiöser Pluralisierung tatsächlich ein Gewaltpotential steckt, oder ob in der persönlichen Begegnung mit Menschen anderer Religionszugehörigkeiten auch De-radikalisierung und ein verbessertes Miteinander möglich sind, welche zur Entwicklung und Stärkung der Identitäten beitragen.

Religion ist keine Privatsache. Immer noch verkauft sie sich sehr gut in den Medien und in der Politik wird sie viel zu oft zum ausgrenzenden, radikalisierenden Faktor gemacht, als zum einenden. Deshalb braucht echter Dialog die Haltung von Respekt und Toleranz, sowie ein differenziertes und kritisches Verständnis von religiösen Wahrheitsansprüchen oder Mission. Ebenso nehmen Teilnehmende die Position des Zuhörens und Lernens ein, um zu einem gelingenden Dialogprozess beizusteuern. Denn ein wesentlicher Aspekt, der im Dialoggeschehen thematisiert werden muss, ist Macht. Nach Max Weber wird darunter eine Asymmetrie innerhalb einer sozialen Beziehung verstanden. Seine Definition lautet: „Macht bedeutet jene Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ Auf das Dialoggeschehen bezogen zeigen sich diese Ungleichheiten oft in vielerlei Hinsicht und spiegeln die gesellschaftlichen Dimensionen wider, in denen sich Menschen bewegen. In dialogischen Schritten braucht es deshalb eine klare Kommunikation und Respekt vor dem Glauben der Anderen sowie Verzicht auf Mission.

Dialogteilnehmende können den interreligiösen Dialog jedoch auch als radikale Verunsicherung des eigenen Glaubens oder der persönlichen Identität erleben bzw. wahrnehmen. Das Sich-Einlassen wird mit einem Risiko verbunden – sich verändern oder gegebenenfalls auch von Wahrheiten oder geglaubter Überzeugungen verabschieden zu müssen. Somit wird das Fremde und Unbekannte gemieden um das Eigene zu bewahren. Diese Haltung verhindert jedoch nicht nur das richtige Kennenlernen des Anderen, sondern auch eine ausdifferenzierte Auseinandersetzung mit dem Eigenen. Margull spricht in diesem Zusammenhang von der „Verwundbarkeit im Dialog“.
Veränderung können Ängste hervorrufen. Jedoch erst wenn die Komfortzone verlassen wird, können Spannungsfelder auch als Lernfelder dienen. Personen, die sich in dieser Ambivalenz befinden, können einen neuen Zugang zum Verstehen der jeweils anderen Religion erleben. Darüber hinaus kann ein neuer Zugang zu Elementen der eigenen religiösen Tradition, die bis dahin keine Bedeutung in der eigenen Glaubenspraxis gespielt haben, gefunden werden. Im Dialog besteht die Möglichkeit sich im Spiegel der anderen Religion neu zu entdecken. Diese Bereicherung birgt die Chance aus dem Dialog mit neuen Glaubensgewissheiten zu gehen und die eigene religiöse Identität weiterzuentwickeln.

„Wer etwas über den interreligiösen Dialog erfahren möchte, kann dies nur in der Gestalt tun, dass er im Dialog selbst Erfahrungen macht, d.h. sich in den Dialog begibt, indem er bzw. sie die Begegnungen mit Menschen anderer Religionszugehörigkeiten sucht. […] Erfahrung kennt keine Stellvertretung. Jede_r muss sie selbst machen.“
Eine interreligiöse Begegnung ist immer zuerst eine menschliche Begegnung. Neben persönlichen Erwartungen und Vorstellungen sind Menschen geprägt von den Bildern der Medien und den Diskursen in der Gesellschaft, die jedem Einzelnen durch und in seinem Umfeld vermittelt werden. Ein bewusster Umgang damit führt zu einer großen Chance: der einzelne Mensch kann in der Ganzheit seiner Individualität wahrgenommen werden. Denn die Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Religionen aufzuzeigen, trägt zu einem friedlichen Zusammenleben bei. Wichtiger jedoch als die Ähnlichkeiten in verschiedenen Glaubenssystemen ist das persönliche Erleben der gemeinsamen Menschlichkeit. Dialogarbeit trägt dazu bei, Unbekanntes sichtbar zu machen, Distanz und Anonymität zu entgegnen, individuelle Lebensgeschichten zuzuordnen. Somit ist bei Dialogveranstaltungen oder Planungen kein gemeinsames Ergebnis vorausgesetzt, da durch das Wechselspiel des Hörens und Antwortens bereits das grundlegende Ziel erreicht ist. Verständnis und Kooperation wirken präventiv gegen Vorurteile, Unwissen, Hass oder Fundamentalismus. Der Interreligiöse Dialog fordert gläubige Menschen auf, sich mit bisher unbekannten Heils- und Wahrheitsansprüchen auseinanderzusetzen und dadurch die eigene Identität neu wahrzunehmen. Er ermöglicht persönliche geistige, emotionale und spirituelle Entwicklungen. Ein wirkungsvoller Dialog ist somit ein Friedensinstrument, weil die Dialogpartner eine gemeinsame Verantwortung für die Welt und für alle Menschen wahrnehmen.

Franziska Kinskofer

Vereinsmitglied

Menschenrechtsorientierung im transkulturellen Miteinander

In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurde 1948 der Begriff „Brüderlichkeit“ in der Tradition der Aufklärung gewählt. Die Idee wird mittlerweile zeitgemäß geschlechtsneutral häufig als „Geschwisterlichkeit“ bezeichnet. „Im Geist der Geschwisterlichkeit“ meint dabei einen freundschaftlichen Umgang, sein Gegenüber und alle Menschen aufgrund ihres Menschseins als Gleiche auf Augenhöhe anzuerkennen. Diese Haltung impliziert also bereits, dass das Gleiche (Menschsein) immer mehr wiegt als das Unterschiedliche (zum Beispiel verschiedene Religionen und Geburtsorte, Nationalitäten,…). Der daraus folgende freundschaftliche Blick ist umso wichtiger, je diskriminierender das gesellschaftspolitische Klima wird. In Österreich ist dies sichtbar in politischer Rhetorik, Realpolitik und Struktur. Zwei Aspekte einer solchen menschenrechtsorientierten Haltung werden im Folgenden kurz skizziert, ausgehend von der Frage, wie aus Diversität Potenzial für ein friedliches und diskriminierungssensibles, veränderungsbereites Miteinander geschöpft werden kann.

Hiesige rechtsstaatliche Strukturen kultursensibel hinterfragen
Die Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten, Diskriminierungen und Erniedrigungen ist aus menschenrechtlicher Sicht essenziell, um die Lebensrealitäten hunderttausender in Österreich lebender Menschen nachvollziehen zu können. Am deutlichsten betrifft diese in den gesetzlichen Strukturen fußenden Diskriminierung im Kontext transkultureller Begegnung nicht „Ausländer“ im Generellen – ich bin zum Beispiel selbst Ausländerin in Österreich, doch „sieht man es mir nicht an“. Menschen hingegen, die in negativer Konnotation zugeschriebener Weise „arabisch“, „afghanisch“ oder „muslimisch“ aussehen, denn das sind die Kategorisierungen, die den Diskurs im „Kampfthema Islam“ bestimmen (siehe auch Gmeiner-Pranzl & Mocevic, 2019), spüren diese Strukturen tagtäglich. Dass in diese Kategorien Portugiesen genauso gedrängt werden, Christen und Atheisten genauso wie Muslime, nimmt eine breite Öffentlichkeit oftmals nicht oder nur im angebotenen Dialog wahr. Es geht hier darum, eine gleichermaßen selbstkritische und offene Haltung einzunehmen, um sich die Situation des Gegenübers bewusst zu machen. Selbstkritisch heißt dabei, eigene stereotype Denkmuster zu beleuchten, die sich auch in gesellschaftspolitischen Diskursen zum Beispiel in schnellen Forderungen nach „Integrationsleistungen“ zeigen. Begegnung und gemeinsame Entwicklung braucht eine Prise Demut und Zutrauen. Offen der Geschichte eines anderen Menschen zuzuhören, um verstehen zu wollen, mag sie sich auch für das eigene Ohr unglaublich anhören. Dem Zweifel genug Raum zu geben, um sich auf die Suche nach Zusammenhängen zu machen. So werden Menschen aufgrund ihrer lebensgeschichtlichen Migration – die unter katastrophalen humanitären Bedingungen stattfand und nicht selten in Gründen fußt, die eine Notwendigkeit zur Migration darstellen, immer häufiger politisch instrumentalisiert und mit paradoxen Neologismen versehen. Bedenkt man, dass der Flüchtlingsbegriff nach über 70 Jahren nicht mehr den aktuellen Stand der Bedrohungen für Leib und Leben abdeckt, wie zum Beispiel notwendige Migration aufgrund von Dürre, extremer Armut fehlender Lebensgrundlagen aufgrund von Krieg und Besatzung, gelingt es vielleicht sich solch spaltend-emotionalisierender Rhetorik zu entziehen und den Menschen vor einem nicht auf ein begriffliches Hirngespinst zu reduzieren. Ein Kennenlernen und Dialog wird möglich, aus dem transformative Kraft wächst, der hiesige Strukturen hilft dem Zeitgeist und der Situation entsprechend zu aktualisieren.

Es sollte dabei aus normativer Sicht selbstverständlich sein, dass Menschen egal welcher Herkunft und Religion strukturell nicht diskriminiert, sondern ermächtigt werden, diese Gleichbehandlung einfordern zu können. Dazu gehört, dass Menschen in weniger vulnerablen Situationen, Orientierung in den rechtsstaatlichen Strukturen anbieten. Nicht im Sinne einer Wertevermittlung einer vermeintlich höher entwickelten, „westeuropäischen Kultur“, sondern im Sinne der Ermächtigung innerhalb dieser Strukturen eigenständig navigieren und Rechte bei strukturellen Diskriminierungen einfordern zu können. Das erfordert persönliche, wie gesellschaftspolitische Prozesse der Auseinandersetzung.
Derzeit konzentriert sich gerade auch in Österreich die mediale Berichterstattung der politischen Bühne folgend vorwiegend auf einfältige Lösungsdarbietung statt konstruktiven Diskurs über mögliche Wege des Migrationsmanagements – ein politischer Fallstrick der besonderen Nähe von Politik und Medien der in Österreich durch Förderabhängigkeiten besonders tiefgreifend ist. Umso wichtiger, Verantwortung für die eigene Haltung und sein Menschenbild zu übernehmen und konstruktive Auseinandersetzungen in diesem häufig destruktiven Klima zu suchen.

Das eigene rechtspolitische Interesse in der Auseinandersetzung mit diesen und weiteren zusammenhängenden Politiken und legislativen Prozessen zu fördern ist also ein notwendiger Schritt im menschenrechtsorientierten transkulturellen Dialog, in dem die eigene Welt und die Welt des Gegenübers verstehbar wird. Denn der Mensch gegenüber hat, wenn er aus sogenannten Drittstaaten stammt, derzeit insbesondere aus den sogenannten „muslimischen Ländern“ migriert oder geflüchtet ist, mit großer Wahrscheinlichkeit mehrfach die Diskriminierungen dieser strukturellen diskriminierenden Gegebenheiten erfahren. Das Ernstnehmen und Einsetzen für Gleichbehandlung (Art. 7, 10 AEMR) und sei es einfach nur im Anbieten eines Dialogs auf Augenhöhe und der Wahrnehmung des Menschen, seinen Verletzungen und Resilienzen, seinen Schwächen und Kompetenzen und seiner Art zu sein.

Vielfältige Netzwerke mitgestalten
Annähernd angekommen in einer menschenrechtsorientierten, inklusiven Gesellschaft sind wir wohl, wenn der Aspekt einer vielfältigen solidarischen Netzwerkorientierung nicht mehr erwähnenswert ist. Nicht, weil dieser Aspekt politisch und gesellschaftlich einen blinden Fleck darstellt, sondern weil Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Identität oder sonstigen Zuschreibungen, in allen Aspekten der politischen Prozesse und des täglichen Lebens gleichbehandelt werden und längst gleichermaßen von diesem Zusammenleben profitieren. Das bedeutet, neben politischen Gestaltungsrechten und gleichen Einbezug in staatlich-solidarische Unterstützungen, weder ausgeschlossen, noch bevorzugt werden oder als Token in soziale Netzwerke „integriert zu werden“. Es bedeutet als Mensch anerkannt zu werden und ein Aspekt dieses Menschen kann seine kulturell-religiöse Sozialisationsgeschichte sein in Wechselwirkung mit der Selbst- und Weltsicht. Es bedeutet auch, diesen Aspekt wertzuschätzen. Sei es auch nur dafür zu lernen, dass man selbst eine gewisse Selbst- und Weltsicht, aus der eigenen familiären, sozialen, gesellschaftlichen, politischen, religiösen und kulturellen Sozialisationsgeschichte heraus entstanden, hat.

Wenn wir in Kontakt treten, bemerken wir, dass Kultur ein Prozess ist, der aus Vielen besteht und am Ende vielleicht nur aus Geschichten, die, obwohl sie an ganz verschiedenen Teilen der Welt beginnen, sich langsam verwachsen und etwas neues kreieren können – einen weiteren Prozess, eine weitere Geschichte. Jeder Mensch versucht für sich in seiner Geschichte und seinem Umfeld zurechtzukommen versucht, nach grundmenschlichen gemeinsamen Prinzipien des Überlebens, Zusammenhalts und dem Streben nach Sicherheit und Würde. Wenn wir das und weiteres ineinander erkennen können und müssen, um in Frieden einander streitbar kennenzulernen. Immer bestrebt um Augenhöhe und Anerkennung eines Menschen mit Eigenschaften statt einer Eigenschaft, in der man aus Scham und Angstgefühlen vor der eigenen Beschränktheit unbewusst einen Menschen gedanklich in einem vorher dagewesenen Kasten festhält. Im besten Falle kann man gemeinsam über beiderseitiger Beschränktheit lachen, wenn man offen in Kontakt tritt.

Für den Moment braucht es Vorbilder im würdevollen transkulturellen Dialog in der regionalen Menschenrechtsarbeit, wie es Hindiba in Innsbruck in ihrer Gemeinschaft und Arbeit sind. Menschen arbeiten in ihrem Menschsein auf Augenhöhe zusammen, um ein vielschichtiges Band zu gestalten, das alle Beteiligten ermächtigt. Dabei fordert das Gegenüber aufgrund seiner religiösen und kulturellen Zuschreibungen nicht mehr und nicht weniger als das eigene Selbst. Der menschenrechtsorientierte transkulturelle Dialog auf Augenhöhe ist dabei in all seinen Aspekten geprägt in der Grundhaltung: „we [women] do not care about ego, we care about solutions“, wie Tamana Ayazi, Regisseurin des Films „In her hands“ treffend in einem noch weit herausfordernden Dialogversuch auf den Punkt bringt. Sie begleitete die junge Bürgermeisterin Zarifa Ghafari in Maidan Shahr, einem seit langem von Taliban kontrollierten Gebiet südwestlich von Kabul. Der Blick ist also geprägt von einer Ausrichtung auf die Sache und einer gewissen gewachsenen Selbstlosigkeit, ganz im Gegensatz zur Selbstaufgabe des Menschseins. Die kritische Auseinandersetzung im transkulturellen Miteinander erfordert Mut, ist fordernd und fordert – hier und überall auf der Welt, wo Menschen sich für Gleichbehandlung einsetzen, immer gefährlich, doch das Leben ist jeden Moment gefährlich, das sollte uns nicht abhalten zu leben und uns für Leben einzusetzen.

Für Menschen, die in Europa und hier in Österreich geboren wurden, heißt das im transkulturellen Dialog, wir alle müssen uns selbst auch fordern und dazu auffordern neugierig und (selbst-)kritisch zu bleiben. Und den anderen als Menschen sehen, uns nicht auf unser eigenes Menschsein beruhen und andere dazu zur Beziehungsarbeit und Anpassung aufzurufen. Menschenrechtsorientiertes transkulturelles Miteinander heißt, sich als Mensch kennenzulernen, nicht vorwiegend als Ausländer:innen und Inländer:innen, Europäer:innen und Drittstaatangehörige, Christ:innen und Muslim:innen oder auch – und mehr als absurd – als Österreicher:innen und Muslim:innen. Es heißt, am selben Ort anzukommen und gemeinsam von Mensch zu Mensch immer wieder auf Neues in die Zukunft zu blicken und damit zu einem friedlichen Umgang inmitten vielfältiger kultureller und religiöser Identitäten beizutragen.

Quellen
Gmeiner-Pranzl, F., & Mocevic, H. (2019). Kulturelle und religiöse Zuschreibungen: Islam als Kampfthema?, in J.P. Mautner (HG.) Regionale Menschenrechtspraxis: Herausforderungen, Antworten, Perspektiven. Mandelbaum Verlag
Vereinte Nationen (1948). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Resolution der Generalversammlung